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6.8 Helmholtz.doc


Hermann von Helmholtz

DIE LEHRE VON DEN TONEMPFINDUNGEN

Inhaltsverzeichnis

XIV Wir sind in der Beobachtung unserer Sinnesempfindungen nur so weit geübt,

als sie uns zur Erkenntnis der Außenwelt dienen.

XV Zweite Abteilung Neunter Abschnitt

Tiefe und tiefste Töne

Die Töne unter 40 Schwebungen gehen in ein Dröhnen über,

dessen Tonhöhe unvollkommen oder gar nicht zubestimmen ist.

XV Die einzelnen Lufstöße können auch bei viel höheren Klängen

noch mittels der Schwebungen der hohen Obertöne erkannt werden.

XV Zehnter Abschnitt

Schwebungen der Obertöne

Je zwei Obertöne zweier Klänge, wenn sie nahehin gleiche Tonhöhe haben,

können Schwebungen geben;

wenn die beiden Obertöne dagegen ganz zusammenfallen, tritt Konsonanz ein.

Reihenfolge der verschiedenen Konsonanzen

nach der Deutlichkeit ihrer Abgrenzung von den benachbarten Dissonanzen.

Anzahl der Schwebungen bei verstimmten Konsonanzen und ihr Einfluß auf die Rauhigkeit.

Störung jeder Konsonanz durch die Benachbaren Konsonanzen.

Reihenfolge ihres Wohlklanges.

XV Elfter Abschnitt

Die Schwebungen der Kombinationstöne

Einfluß der Klangfarben auf die Schärfe der Dissonanzen und den Wohlklang der Konsonanzen

3 die wissenschaftliche Begründung der elementaren Regeln

für die Konstruktion der Tonleiter, der Akkorde, der Tonarten,

überhaupt alles dessen,

was in dem sogenannten G e n e r a l b a ß zusammengestellt zu werden pflegt.

In diesem elementaren Gebiete haben wir es nicht allein mit freien künstlerischen Erfindungen,

sondern auch auch mit der unmittelbaren Naturgewalt der sinnlichen Empfindung zu tun.

Die Musik steht in einem viel näheren Verhältnis zu den reinen Sinnesempfindungen,

als sämtliche übrigen Künste,

welche es vielmehr mit den Sinneswahrnehmungen,

d. h. mit den Vorstellungen von äußeren Objekten zu tun haben,

die wir erst mittels psychischer Prozesse aus den Sinnesempfindungen gewinnen.

5 Dies p h y s i k a l i s c h e A k u s t i k ist ihrem Wesen nach nichts als

einTeil der Lehre von den Bewegungen der elastischen Körper.

Ob man die Schwinungen, welche gespannte Saiten ausführen,

an einer Spirale aus Messingdraht beobachtet,

deren Bewegungen so langsam geschehen, daß man ihnen mit dem Auge bequen folgen kann,

die aber eben deshalb keine Schallempfindungen erregen,

oder ob man eineViolinsaite schwingen läßt, deren Schwingungen das Auge kaum wahrnimmt,

ist in physikalischer Beziehung ganz gleichgültig.

Die Gesetze der schwingenden Bewegungen sind in beiden Fällen ganz die nämlichen,

und ob sie schnell oder langsam geschehen, ist ein Umstand,

der in diesen Gesetzen nichts ändert,

wohl aber den beobachtenden Physiker zwingt,

verschiedene Methoden der Beobachtung anzuwenden,

bald das Auge, bald das Ohr zu benutzen.

7 Die Größe der konsonanten Intervalle ist unabhängig von der Klangfarbe,

aber der Grad des Wohlklanges der Konsonanzen,

die Schärfe ihres Unterschiedes von den Dissonanzen

ergibt sich als abhängig von der Klangfarbe.

8 Die moderne Musik hat hauptsächlich das Prinzip der Tonalität streng und konsequent entwickelt,

wonach alle Töne eines Tonstückes

durch ihre Verwandtschaft mit einem Hauptton, der Tonika, zusammengeschlossen werden.

Sobald wir dieses Prinzip als gegeben annehmen,

leitet sich aus den REsultaten der vorausgegangenen Untersuchungen

die Konstruktion unserer modernen Tonleitern und Tonarten

auf einem alle Willkürlichkeit ausschließenden Wege ab.

13 Sinnliche Empfindungen kommen dadurch zustande,

indem äußere Reizmittel auf die empfindlichen Nervenapparate unseres Körpers einwirken

und diese in Erregungszustand versetzen.

Die Art der Empfindung ist verschieden,

teils nach dem Sinnesorgane, welches in Anspruch genommen worden ist,

teils nach der Art des einwirkenden Reizes.

Jedes Sinnesorgan vermittelt eigentümliche Empfindungen,

welche durch kein anderes erregt werden können,

das Auge Lichtempfindungen,

das Ohr Schallempfindungen,

die Haut Tastempfindungen.

Selbst wenn dieselben Sonnenstrahlen,

welche dem Auge die Empfindung des Lichtes erregen,

die Haut treffen und deren Nerven erregen,

so werden sie hier doch nur als Wärme, nicht als Licht empfunden,

und ebenso können die Erschütterungen elastischer Körper, welche das Ohr hört,

auch von der Haut empfunden werden, aber nicht als Schall, sondern als Schwirren.

Schallempfindung ist also die dem Ohr eigentümliche Reaktionsweise gegen äußere Reizmittel,

sie kann in keinem anderen Organe des Körpers hervorgebracht werden,

und unterscheidet sich durchaus von allen Empfindungnen aller übrigen Sinne.

(...)

13 f. er erste und Hauptunterschied verschiedenen Schalles, den unser Ohr auffindet,

ist der Unterschied zwischen G e r ä u s c h e n und m u s i k a l i s c h e n K l ä n g e n.

Das Sausen, Heulen und Zischen des Windes,

das Plätschern des Wassers,

das Rollen und Rasseln eines Wagens

(14) sind Beispiele der ersten ARt,

die Klänge sämtlicher musikalischen Instrumente

Beispiele der zweiten Art des SChalles.

Zwar können Geräusche und Klänge

in mannigfach wechselnden Verhältnissen sich vermischen

und durch Zwischenstufen ineinander übergehen,

ihre Extreme sind aber weit voneinander getrennt.

(...)

14 Um das Wesen des Unterschiedes zwischen Klängen und Geräuschen zu ermitteln,

genügt in den meisten Fällen schon eine aufmerksame Beobachtung des Ohres allein,

ohne daß es durch künstliche Hilfsmittel unterstützt zu werden braucht.

Es zeigt sich nämlich im allgemeinen,

daß im Verlauf eines Geräusches ein schneller Wechsel verschiedenartiger Schallempfindungen eintritt.

Man denke an

das Rasseln eines Wagens auf Steinpflaster,

das Plätschern und Brausen eines Wasserfalles oder der Meereswogen,

das Rauschen der Blätter im Walde.

Hier haben wir überall einen raschen und unregelmäßigen, aber deutlich erkennbaren Wechsel

stoßweise aufblitzender verschiedenartiger Laute.

Beim Heulen des Windes ist der Wechsel langsam,

der Schall hieht sich langsam und allmählich in die Höhe und sinkt dann wieder.

Mehr oder weniger gut gelingt die Trennung verschiedenartiger unruhig wechselnder Laute

auch bei den meisten anderen Geräuschen;

wir werden später ein Hilfsmittel kennen lernen, die Resonatoren,

mittels dessen diese Unterscheidung dem Ohr beträchtlich erleichtert wird.

Ein musikalischer Klang dagegen erscheint dem Ohr als ein Schall,

der vollkommen ruhig, gleichmäßig und unveränderlich dauert, solange er eben besteht,

in ihm ist kein Wechsel verschiedenartiger Bestandteile zu unterscheiden.

Ihm entspricht also eine einfache und regelmäßige Art der Empfindung,

während in einem Geräusche viele verschiedenartige Klangempfindungen

unregelmäßig gemischt und durcheinander geworfen sind.

In der Tat kann man Geräusche aus musikalischen Klängen zusammensetzen,

wenn man z. B. sämtliche Tasten eines Klaviers

innerhalb der Breite von einer oder zwei Oktaven gleichzeitig anschlägt.

Hiernach ist es klar, daß die musikalischen Klänge

die einfacheren und regelmäßigeren Elemente der Gehörempfindungen sind,

und daß wir an ihnen zunächst

die Gesetze und Eigentümlichkeitendieser Empfindungen zu studieren haben.

15 f D i e E m p f i n d u n g e i n e s K l a n g e s

w i r d d u r c h s c h n e l l e p e r i o d i s c h e B e w e g u n g e n

d e r t ö n e n d e n K ö r p e r h e r v o r g e b r a c h t,

d i e e i n e s G e r ä u s c h e s d u r c h n i c h t p e r i o d i s c h e B e w e g u n g e n.

(...)

19 Klänge können sich (...) unterscheiden:

1 . durch ihre S t ä r k e

2. durch ihre T o n h ö h e

3. durch ihre K l a n g f a r b e.

(...)

39 Wir beschränken (...) den Gebrauch des Wortes T o n

durchaus auf den Klang einfacher Schwingungen,

während bisher Ton meist in derselben Bedeutung wie Klang gebracht worden ist.

Zweite Abteilung. Neunter Abschnitt

Tiefe und tiefste Töne. S. 290 ff.

293 gedackte Orgelpfeifen

Ihre Obertöne sind wenigstens ziemlich schwach, wenn sie auch nicht ganz fehlen.

Hier findet man, daß schon die unteren Töne der 16fügigen Oktave, C1 bis E1,

anfangen, in ein dröhnendes Geräusch überzugehen,

so daß es selbst einem geübten musikalischen Ohr sehr schwer wird,

ihre Tonhöhe sicher anzugeben;

auch können sie nicht mit Hilfe des Ohres allein gestimmt werden,

sondern nur indirekt mittels der Schwebungen, welche sie mit den Tönen der höheren Oktaven geben.

Ähnliches bemerkt auch an denselben tiefsten Tönen des Klaviers und der Physharmonika;

sie klingen dröhnend und unrein in der Stimmung,

obgleich ihr musikalsicher Charakter durch die starken sie begleitenden Obertöne

im ganzen besser festgestellt ist, als der der Pfeifentöne.

115 f.(...) zeigen, wie gewisse charakteristische Eigentümlichkeiten des Klanges mancher Instrumente

abhängen von der Art, wie ihr Klang begint und wieder aufhört.

Wenn wir im folgenden von m u s i k a l i s c h e r K l a n g f a r b e reden,

(116) sehen wir zunächst von dieseen Eigentümlichkeiten des Anfanges und Endes ab,

und berücksichtigen nur die Eigentümlichkeiten des gleichmäßig andauernden Klanges.

116 Aber auch wenn ein Klang mit gleicher oder veränderlicher Stärke andauert,

mischen sich ihm bei den meisten Methoden seiner Erregung Geräusche bei

als der Ausdruck kleinerer oder größerer Unregelmäßigkeiten der Luftbewegung.

Bei den durch einen Luftstrom unterhaltenen Klängen der Blasinstrumente

hört man meistenteils mehr oder weniger Sausen und Zischen

der Luft, die sich sich an den scharfen Rändern der Anblaseöffnung bricht.

(...)

Gewöhnlich sucht man, wenn man Musik hört, diese Geräusche zu überhören,

man abstrahiert absichtlich von ihnen,

bei näherer Aufmerksamkeit jedoch hört man sie

in den meisten durch Blasen und Stssreichen hervorgebrachten Klängen sehr deutlich.

Bekanntlich werden auch viele Konsonanten der menschlichen Sprache

durch solche anhaltende Geräusche charakterisiert (...)

Aber auch die Vokale der menschlichen Stimme

sind nicht ganz frei von solchen Geräuschen,

wenn sie auch neben dem musikalischen Teil des Stimmtones mehr zurücktreten. (...)

Es scheint (...) die Verstärkung des Geräusches

die Charakterisierung des besonderen Vokalklanges zu erleichtern.

Beim Singen sucht man dagegen den musikalischen Teil des Klanges zu begünstigen,

wobei die Artikulation etwas undeutlicher wird.

Wenn nun aber auch in den begleitenden Geräuschen,

also in den kleinen Unregelmäßigkeiten der Luftbewegung,

viel Charakteristisches für die Klänge der musikalischen Instrumente

und für die verschiedener Mundstellung entsprechenden menschlichen Stimmtöne liegt,

so bleiben doch auch noch genug Eigentümlichkeiten der Klangfarbe übrig,

die an dem eigentlich musikalischen Teil des Klanges,

an dem vollkommen regelmäßigen Teil der Luftbewegung haften.

Wie wichtig diese letzteren sind, kann man namentlich erkennen,

wenn man musikalische Instrumente und menschliche Stimmen aus solcher Entfernung hört,

wo die verhältnismäßig schwachen Geräusche nicht mehr hörbar sidn.

Trotzdem diese mangeln, bleibt es in der Rege möglich,

die verschiedenen musikalischen Instrumente voneinander zu unterscheiden,

wenn auch allerdings unter solchen Umständen einmal

einzelne Horntöne mit GEsang, oder ein Violoncell mit einem Harmonium verwechselt werden kann.

Bei der menschlichen Stimme verlieren isch in der Entfernung zuerst

die Konsonanten, welche durch Geräusche charakterisiert sind,

während M, N und die (118) Vokale noch in großer Entfernung erkennbar bleiben.
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