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Köhler Harmonie 1-2
 Herrn Köhler SWR Fax 07221  929 21 77, Tel. 07221  929 2247
 Herrn Armin Köhler SWR
 Fax 07221  929 21 77, Tel. 07221  929 2247
                                                                           Karlsruhe, den 3. 1. 99
 Lieber Herr Köhler,
 beigefügt der jetzige Stand meiner Überlegungen zu den beiden Sendungen "Auf der Suche nach der verlorenen Harmonie". Ich habe versucht, das Thema so zu strukturieren, daß auch unter diesem speziellen Aspekt möglichst ein Blick auf das Ganze möglich wird  das ist unter diesem Thema m. W. neu und hat deswegen etwas länger gedauert als mir lieb ist, was ich zu entschuldigen bitte. Hier also nun einige Stichworte (die Komponistennamen sind erste Konkretisierungsideen, die bei der Ausarbeitung noch modifiziert, erweitert, geändert werden können). 
 AUF DER SUCHE NACH DER VERLORENEN HARMONIE
 I. Tonal oder atonal?
 Alte und neue Klangstrukturen  Diesseits und jenseits der Tonalität
  Von der Krise der Tonalität zur Erfindung autonomer Klangzentren
 (Mahler X, Skriabin, Schönberg op. 16,3)
  Emanzipation der Dissonanz  Emanzipation des Geräusches 
 (Webern op. 6,3  Varèse)
  Neue Tonstrukturen  neue rhythmische Ordnungen
 (Strawinsky: Petruschka, Sacre; Bartok; Messiaen; Xenakis)
  Tonalität als Rückkehr oder Abkehr?
 (Schönberg: Satiren op. 28 Nr. 1 und 3, Tonalität im Spätwerk;
 Berg; Neoklassizismus; minimal music; "Neue Einfachheit)
 II. Harmonie und Klangkunst:
 Freigesetzte Klänge  Anarchic Harmony
  Klang und Farbe (Messiaen, Spektrale Musik)
  Mikroskopierte und synthetische Klänge (technische produzierte Musik)
  Antinomien des Harmonischen: Integration und Dispersion
 (z. B. Schönberg contra Webern)
  Anarchic Harmony (Cage, insbesondere Spätwerk)
  Universelle Klangkunst (Henry)
 In beiden Sendungen soll es vor allem darauf ankommen, 
 vielfarbig konkretisierende Beispiele zu präsentieren,
 die das Vorurteil einer voreiligen Rubrizierung aller Neuen Musik
 auf Unharmonisches, Dissonantes, Chaotisches etc. widerlegen.
 Das Panorama soll also von bewußt gesetzter traditioneller Harmonie
 (z. B. beim späten Messiaen)
 bis zu bewußt andersartigen, aber nicht weniger plausiblen
 autonomen Klang- und Geräusch-Konstruktionen führen.
 Deutlich werden soll auch, 
 daß die Harmonie nicht in der Neuen Musik verloren wurde,
 sondern in dem ihr vorausgegangenen Entwicklungsprozeß der Tonalität 
 daß also die Neue Musik weniger den Verlust der Harmonie dokumentiert
 als viele verschiedene Ansätze der Entwicklung neuer harmonischer Ordnungen,
 die dann sogar bei demselben Komponisten 
 durchaus unterschiedlich ausfallen können
 (z. B. Schönberg: op. 28 contra Moses und Aron;
 Stockhausen: Klavierstück IX contra Stimmung).
 Deutlich werden soll auch, daß harmonische Gestaltungsmöglichkeiten
 eng mit anderen musikalischen Bereichen, 
 z. B. mit der rhythmischen Gestaltung, zusammenhängen können.
 Der Harmoniebegriff soll so weit gefaßt sein, 
 daß er einerseits bis in die Geräuschwelt,
 andererseits bis in die Auflösung fester Tonhöhen,
 z. B. in Glissandi hinein weitergetrieben wird. 
 Mikrointervalle sollen möglichst nur dann präsentiert werden,
 wenn sie vom Gehör her möglichst plausibel und klar erfaßt werden können
 (evtl. auch im anderen Extremfall,
 daß sie mikropolyphon in neuen Klangfarbengestaltungen verschwinden).
 Deutlich werden soll, 
 daß Harmonie in unterschiedlicher Weise plausibel werden kann,
 z. B. einerseits bei Xenakis,
 andererseits beim (sei es frühen, sei es späten) Feldman
 oder auch bei Webern oder Boulez.
 In älterer Musik erscheint insoweit Harmonie
 als das scheinbar Bekannte, im Einzelfall originell Modifizierte,
 während in der Entwicklung bis zur Neuen Musik hin
 mehr und mehr Harmonie das stets neu zu Erfindende wird,
 das einerseits z. B. in einem Stück integrative Kraft zeigen kann
 (z. B., sehr deutlich heraushörbar,
 in der Einleitungsszene zu "Moses und Aron",
 beim späten Webern oder bei Boulez),
 andererseits aber auch  innerhalb eines Stückes 
 oder auch beim Vergleich verschiedener Stücke
 desselben oder verschiedener Komponisten 
 als reichhaltige Quelle konstruktiver und expressiver
 Kontrastierung und Vielfalt in Erscheinung treten kann.
 Hoffentlich können Sie mit diesen ersten Notizen etwas anfangen.
 Herzliche Grüße von Ihrem
 Rudolf Frisus
 PS: diese Fassung vom 7. 1. enthält einige Korrekturen gegenüber dem 3. 1.
 
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