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4.13 Xenakis: Die elektroakustische Musik


HOMMAGE A IANNIS XENAKIS:

DIE ELEKTROAKUSTISCHE MUSIK

Dienstag, den 4.4.1995, 20.00 Uhr, Orangerie

Gesprächskonzert: Iannis Xenakis

im Gespräch mit Rudolf Frisius und

Helga de la Motte-Haber

Die Werke: Diamorphoses (1957)

Concret PH (1958)

Analogique A+B(1959) (Ausschnitt)

Orient-Occident(1960)

Bohor(1962) (Ausschnitt)

La Legende d`Eer(1976) (Ausschnitt)

Mycenes Alpha (1978)

Tauriphanie (1987)

Voyage Absolu des Unari vers Andromede (1988) (Ausschnitt)

Gendy 3 (1991)

Produktion: Studio INA/GRM, Paris

(Diamorphoses, Concret PH, Orient-Occident,

Bohor)

Studio Gravesano (Analogique B)

Studio CEMAMu, Paris

(Mycenes Alpha, Tauriphanie, Voyage Absolu

des Unari vers Andromede, Gendy 3)

Rudolf Frisius

Iannis Xenakis und die Elektroakustische Musik

Die Neue Musik in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts steht im Zeichen der Elektroakustischen Musik. Die meisten ihrer profilierten Komponisten haben sich intensiv für die neuartigen Möglichkeiten der technisch produzierten Musik interessiert und Wesentliches zur Entwicklung beigetragen, Einige unter ihnen - beispielsweise Pierre Schaeffer und Pierre Henry, Francois Bayle und Bernard Parmegiani - haben sich ausdrücklich auf diese Musik konzentriert und weitgehend oder vollständig darauf verzichtet, Musik für konventionelle Klangmittel (Stimmen oder Instrumente) zu komponieren.

Andere, wie zum Beispiel György Ligeti oder Krzystof Penderecki, später auch Steve Reich haben sich für elektroakustische Musik zeitweilig intensiv interessiert, aber nur für kurze Zeit selbst im Studio gearbeitet (um daran anschließend, profitierend von den im Studio gewonnenen neuen Klangerfahrungen, wieder zur Vokal- und Instrumentalmusik zurückzukehren). Auch Mauricio Kagel, der in den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren wichtige kompositorische Beiträge zur Entwicklung der Elektronischen und Elektroakustischen Musik leistete, hat sich in der Folgezeit wieder verstärkt der Vokal-und Instrumentalmusik zugewandt. (Nur noch in seinen bemerkenswerten Hörspielproduktionen aus den sechziger und achtziger Jahren spielen elektroakustische Produktionstechniken noch eine wichtige Rolle).

Andere Komponisten haben versucht, die im Studio gewonnenen Erfahrungen dazu zu nutzen, auch die live-Musizierpraxis mit Stimmen und Instrumenten zu verändern - sei es in ihrer Verbindung mit der Tonbandwiedergabe, sei es in neuen aufführungspraktischen Möglichkeiten der live-Elektronik. Karlheinz Stockhausen, John Cage, Pierre Boulez und Luigi Nono haben dies - auf durchaus unterschiedlichen Wegen - versucht.

Im Werk von Iannis Xenakis hat die Elektroakustische Musik einen anderen Stellenwert. Sie steht nicht im Zentrum des Schaffens, das sich weitgehend auf Vokal- und Instrumentalmusik konzentriert. Andererseits hat er in verschiedenen Phasen seines Schaffens immer wieder den Weg zur elektroakustischen Musik gefunden.

Mit einer einzigen Ausnahme (Analogique A+B für Streichquartett und elektronische Klänge) handelt es sich dabei durchweg um reine Studioproduktionen. Alle diese Werke sind höchst unterschiedlich und unterscheiden sich wesentlich von den vokal-instrumentalen Kompositionen. Die komplexen Glissandi der Diamorphoses(1957) - die dicht geschichteten, knisternden Geräuschimpulse der kurzen architektonischen environment-Musik Concret PH(1958) - die klanglich kontrastierenden aber nach verwandten, konstruktiven Gesetzen entwickelten elektronischen instrumentalen Sequenzen A+B(1959) - die fein siselierten Klangbilder der Filmmusik Orient-Occident(1960) (zu einem Film von Enrico Fulchignoni, der das Menschenbild in der Plastik verschiedener Epochen und Kulturkreise darstellt) - der rasende Klangorkan Bohor (1962) - die große architektonische Bogenform der Multimedia-Musik La Legende d`Eer (1976) (Instrumentalmusik zur Klanglichtarchitektur Diatop, das längere Zeit in Paris im Centre Pompidou und in Bonn am Hauptbahnhof installiert war) - die auf dem Computer graphisch entworfenen Strukturen zu Mycenes Alpha (1978) und zu späteren Stücken (Tauriphanie 1987, Voyage Absolu des Unaris vers Andromede 1988, Gendy 3 1991). In diesen Werken manifestiert sich eine "seconda prattica", eine "deuxieme maniere", des Komponisten Xenakis - Visionen einer zukünftigen Musik, in der die aktuellen Schwierigkeiten der Entwicklung neuer Möglichkeiten des Hörens und Erfindens von Musik im technischen Zeitalter besser gelöst sein werden.
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