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NACHTKONZERT:
KONKRETE NUSIK Mittwoch, den 5.4.1995, 22.15 Uhr, Justus-Liebig-Haus
Hörfilme - Mitelalterliche Musik mit synthetischen Klängen - Jazz und Lautsprecherklänge- Mikro-Montagen- Musik aus Klangobjekten- Neue Expressivität-Computermusik-Meditative Musik
Eine Zusammenarbeit mit dem Studio INA/GRM Paris
Klangregie: Alexander Schwan
Moderation: Rudolf Frisius
AKUSTISCHE KUNST - HÖRFILME
Pierre Schaeffer: Etude pathetique (1948/1971) 3'22''
Pierre Henry Fantasia (1950) 4'39''
MUSIK ÜBER MUSIK
Andre Hodeir: Jazz et Jazz (1951) 3'02''
Monique Rollin Motet (1952) 1'08''
MIKRO-MONTAGEN
Pierre Boulez Etude I sur un son (1951) 2'25''
(Etüde I über einen Klang)
GERÄUSCH-MUSIK
MUSIK AUS GERÄUSCHEN DER TECHNISCHEN ARBEITSWELT -MUSIK AUS GERÄUSCHEN DER MENSCHLICHEN STIMME
Edgard Varese Deserts-Interpolation I (1954) 3'05''
Pierre Henry Kesquidi 7'58''
MUSIK AUS KLANGOBJEKTEN
Pierre Schaeffer Etudes aux sons exposes (1958) 4'08'' (Studie über belebte Klänge)
Pierre Schaeffer Etudes aux objects: (1959) 3'05''
Objects exposes
Bernard Parmigiani Bidule en re (1969) 9'27''
(Dingsda in D)
NEUE EXRESSIVITÄT
Michel Chion Sanctus (Aus "Requiem") (1973) 2'29''
COMPUTERMUSIK
Alain Sarouret Etude,numerique,aux syllabes(1984/85) 6'25'' (aus "Germinal")
MEDITATIVE MUSIK
Francois Bayle Rosace 3 (1973) 3'31'' (aus "Vibrations composees")
Pierre Schaeffer
Pierre Schaeffer
Etude pathetique
(Etude aux casseroles)
3'22''
Die Einbeziehung vokaler Elemente reizt mich schon seit langem.
Mir stehen keine Schauspieler zur Verfügung, auch keine Sänger (Schon seit langem habe ich darauf verzichtet mit Interpreten zu arbeiten).
Aber in einem Studio findet man ja immer wieder alte abgelegte Platten. Mit fällt eine in die Hand, auf der die kostbare Stimme von Sacha Guitry zu hören ist. "Sur les levres, sur les levres"("auf deine Lippen, auf deine Lippen").
Aber die Aufnahme war unterbrochen worden, weil das Scriptgirl gehustet hatte; deswegen war die Platte in den Ausschuß geraten.
Diese Platte nehme ich mir und auf einen anderen Plattenteller lege ich den traditionellen Rhythmus eines Schleppkahns, und auf zwei andere Plattentelller lege ich, was mir gerade in die Hand fällt, eine amerikanische Akkordeon-Schallplatte und eine balinesische Platte. Dann gibt es ein virtuoses Spiel mit 4 Potentiometern und Schaltern.
Den Unschuldigen füllen sich die Hände.
Die Etüde 5, die den Beinamen "aux casseroles" führt, (denn sie beginnt und schließt mit der Sequenz einer scheppernden Büchse) entsteht in einigen Minuten in der Zeit der Aufnahme.
In der "Etude aux casseroles" finden sich der Lastkahn auf einem französischen Kanal, die amerikanische Harmonika und die Priester von Bali auf wundersame Weise zusammen und gehorchen den Göttern der Schallplatte, sie bilden ein kundiges Ensemble, das mit seinen Effekten sparsam umgeht, und wenn dann, im Wechsel, dreimal dieses schmerzliche "sur les levres" erscheint, unterbrochen von Husten, dann wundert sich der Hörer sofort über eine so umsichtige, so harmonische, so präzise Komposition.
So entstehen die klassischen Werke der musique concrete.
Rudolf Frisius
Pierre Henry
Fantasia(1950)
Ein Donnerschlag - klirrende Töne, von oben absteigend - rätselhafte metallische Geräusche - erneutes Donnergrollen, übergeblendet in Vokalisen einer Sängerin, die in einem Klaviertriller münden, eigenartige Schrittgeräusche, unterbrochen von Klavierpassagen: So beginnt Pierre Henry seine 1950 entstandene "Fantasia".
Naturgeräusche verbinden sich hier mit Gesang und mit den Klängen präparierter Instrumente zu surrealistischen Hörfilmsequenzen. Man hört ferne Erinnerungen an die kurz zuvor entstandene "Sinfonie pour un homme seul", ein Gemeinschaftswerk von Pierre Schaeffer und Pierre Henry. Seinen eigenen Ton findet Henry in suggestiven Klangdekors, in überraschenden Überblendungen und Mischungen, in origineller Synthese von Geräuschen, Gesangstönen und präparierten Instrumentalklängen.
Historische Programmnotiz (Archiv INA/GRM, Paris)
Andre Hoderr
Jazz et Jazz (Jazz und jazz)(1951)
3'02''
Nichts steht der musique concrete so nahe wie der Jazz - aber andereseits gibt es auch nichts, was zu ihr stärker kontrastiert.
Nahe stehen sich beide Musikarten insoweit, als der Jazz den Geschmack für den Eigenwert des Klanglichen fortentwickelt;
Fern stehen sie sich insofern, als die Aufführung von Jazzmusik eine Aufführung von Menschen ist, in der der Mensch und das Instrument miteinander verschmelzen.
Musik concrete und Jazz stimmen sich aufeinander ein und treffen sich auf demselben Ton, aber hier sind es die lebendigen Lippen von Louis Armstrong, dort die kalten Scheren und die Montage.
Wenn man den Jazz mit den Entdeckungen der musique concrete bereichern will, dann bedeutet dies, daß man den Künstler und die Maschine zusammenbringt, die Spontanität und die Kunstfertigkeit.
Darauf hat sich Andre Hoderr eingelassen, dessen Kompetenz in Sachen Jazz durch wohlbekannte Veröffentlichungen belegt ist.
Unter den Werken des Komponisten seien hier eine Symphonie für Streicher und eine Sonate für Violine solo genannt, ferner als Jazzmusik der Balletfilm "Autour d'un recif"("Rings um ein Riff") (Großer internationaler Kunstfilmpreis 1949).
"Jazz et Jazz" ist eine konzertante Etüde: Bernard Pfeiffer spielt ein Klaviersolo, das Andre Hoderr in einer "abstrakten" Partitur fixiert hat. Ein "konkretes" Tutti hat der Autor zuvor aufgenommen mit Trompetenpassagen von Roger Guerin, Kontrabaßklängen von Emmanuel Soudieux und einem Schagzeugpart von Ritchie Frost.
Historische Programmnotiz (Archiv INA/GRM, Paris)
Monique Rollin
Etude vocale
(Vokale Etüde) (1952)
1'08'' In diesem Stück geht es darum, daß auf dem Phonogen (Einer Transpositionsmaschine) vokales Material verarbeitet wird, und zwar nach den Anweisungen einer Partitur aus dem 13. Jahrhundert. Die ganze Etüde ist aus drei Klängen gemacht, die von derselben Stimme gesungen werden.
Aus der Silbe PAN
Aus der Silbe PRAN
Aus der Silbe AN (bei der der Einschwingvorgang weggeschnitten wurde).
Diese drei Klänge sind Beispiele für drei große Klangfamilien, wie sie die konkrete Musik unterscheidet:
Schlagklänge, Reibeklänge und Dauerklänge.
Es ist wichtig zu präzisieren, daß die drei Ausgangsklänge mit fester Tonhöhe gesungen wurden und daß die Tonhöhenvariationen durch mechanische Transposition (Veränderung der Absprech-geschwindigkeit) erreicht wurden, in den Grenzen einer mit Bedacht eingeschränkten Tonlage.
Pierre Schaeffer
Pierre Boulez
Etude no. 1 sur un son
(Etüde Nr. 1 über einen Klang) (1951)
2'25'' Boulez reagiert auf die Überfülle von Klängen, die die musique concrete den Neuankömmlingen biete, indem er sich auf einen einzigen Klang einer Sanza (eines afrikanischen Lamelleninstruments) beschränkt, und damit seine erste Etüde, die Etüde über einen Klang komponiert. Die Abwandlungen dieses Klangs folgen einem sehr präzisen Montageschema, bei dem die Parameter Höhe und Dauer die entscheidende Rolle spielen.
Rudolf Frisius
Edgard Varese
Deserts-InterpolationI(1954)
3'05''
In einem Brief an Odile Vivier schreibt Varese: "Deserts bedeutet für mich nicht nur die physischen Wüsten, Sand Meer, Berge und Schnee, äußeren Raum, leere Straßen in den Städten - nicht nur diese Aspekte, die Natur, Sterilität, Ferne und die Existenz außerhalb der zeit wachrufen, sondern auch diesen fernen, inneren Raum, den kein Teleskop erreichen kann, wo der Mensch allein ist, in einer Welt der Geheimnisse und völligen Einsamkeit".
Deserts ist eine Komposition für Orchester, die an drei Stellen durch Tonband-Interpolationen unterbrochen wird.
Zur Begründung seiner Konzeption verweist Varese auf das leitende Prinzip seiner Musik: "Ich habe in meiner Arbeit stets das Bedürfnis nach neuen Ausdrucksmitteln gehabt. Ich lehne es ab, mich nur mit gehörten Klängen abzugeben, ich suche neue technische Mittel, die sich eignen könnten für jeden gewünschten Ausdruck. Dies sind die elektroakustischen Mittel der Klangerzeugung, die das Werk "Deserts" auf spektakuläre Weise in Szene setzt, indem es sie - erstmals in der Geschichte - mit Orchesterinstrumenten verbindet.
Die erste Version der Tonband-Interpolationen realisierte Varese, in Zusammenarbeit mit Pierre Henry, 1954 im Pariser Versuchsstudio für konkrete Musik, in das ihn Pierre Schaeffer eingeladen hatte.
Die stereophon produzierten Tonbandeinspielungen sollen dem Hörer nach den Worten des Komponisten "die Vorstellung einer räumlichen Verteilung der Tonquellen vermitteln." Sie enthalten, wie Varese mitgeteilt hat, Aufnahmen, die auf industriellen Klängen basieren (Klängen des Reibens, Schlagens, Pfeifens, Mahlens, Blasens), die durch elektronische Verfahren gefiltert, verwandelt, transponiert und gemischt und nachher, gemäß dem festgelegten Plan des Werkes zusammengesetzt werden. Der Komponist ergänzt: "In Verbindung mit diesen Klängen gibt es als stabilisierendes Strukturelement instrumentale Schlagzeugpartien, von denen einige sich in der Partitur finden, daneben aber auch andere, neue."
Die erste Tonbandversion ist die kürzeste. Varese betont: "Es muß herausgehoben werden, daß, je kürzer die einzelne Partie, desto größer die Spannung ist.
Deserts wurde am 2. Dezember 1954 im Pariser Theatre des Champs-Elysees uraufgeführt - in einem von Hermann Scherchen dirigierten Orchesterkonzert, auf dem auch eine Symphonie von Tschaikowsky zu hören war. Es war das erste Konzert, das vom französischen Rundfunk stereophon übertragen wurde.
Auf diese Weise ist uns der wilde Skandal, den Varese provozierte, als historisches Tonbanddokument erhalten geblieben. Der Uraufführung folgten anschließend weitere Aufführungen in Hamburg und Stockholm, die Orchesterdirektion übernahm dabei Bruno Maderna, und die Klangregie übernahm damals anstelle von Pierre Henry Karlheinz Stockhausen.
Rudolf Frisius
Pierre Schaeffer
Etude aux sons animes (1958)
4'08''
"Die quasi dramatische Geschichte eines Knirschens, eines Reibens, eines Aufprallens" (Schaeffer).
Dieses Stück entstand, als Schaeffer seine phänomenologische "Theorie der Klangobjekte" zu entwickeln begann. Das Klangmaterial erscheint hier in Zusammenhängen, die seine realistischen Ursprünge zurücktreten lassen.
Der Formalverlauf wird von hörbaren Eigenschaften bestimmt, die sich der traditionellen Notation entziehen: Subtile Veränderungen der Geräuschlage (Ton- und Geräuschkurven) oder des dynamischen Verlaufs (Klanganfang - Klangkörper - Klangende; dynamisch schwankende oder in Einzelimpulse "zerhackte" Ereignisse).
Pfeilerartig wiederkehrende Klangobjekte oder abschnittsweise vorherrschende Klangeigenschaften gliedern die Form.
Pierre Schaeffer
Pierre Schaeffer
Etude aux objects (1959)
3'35'' Acht Klangobjekte bilden eine Phrase, die dem ersten Lautsprecher zugeteilt ist.
Aus dem zweiten Lautsprecher kommt die Antwort - mit einem "Gegenthema", das ebenfalls aus 8 Objekten gebildet ist.
Die Entwicklungen kommen dadurch zustande, daß das Thema variiert wird, das seine Form den verschiedenen Sequenzen der Klangobjekte in der Abfolge und in der Überlagerung aufprägt.
Bernard Parmegiani
Bernard Parmegiani
Bidule en re
(Dingsda in D) (1969)
9'27''
Dieses Werk ist vor allem eine Huldigung an die Geburt der musique concrete, an ihren Schöpfer Pierre Schaeffer und an Pierre Henry.
Eine Huldigung auch an die geschlossenen Schallplattenrillen, die primitiven Werkzeuge der ersten Funde der Musiker.
20 Jahre später haben sich die Mittel verändert. Die Schallplatte habe ich jetzt als (Klang-)Objekt benutzt. Vom Rauschen der Schallplatten-oberfläche und des Hintergrunds bin ich übergegangen zu den Knacken und Schallplattenrillen, zu obsessiven Symbolen einer Wiederholung, die für das Ohr des Musikers im Studio nicht absurd geworden ist.
Übergang von der Stimme der Masse zur Stimme des Einzelgängers, deren Äußerungen ihres Sinnes beraubt sind, wie alle Äußerungen von vereinsamten, diese Stimmen sind auch Dinger ohne schützende Hülle.
Das Klavier, den Umständen entsprechend präpariert, erscheint mit offenem Bauch, ausgeliefert der wenig ästhetischen Chirurgie, die eben dieser Komponist im Studio praktiziert.
Einige Takte aus Walzern von Chopin....
Die Rillen öffnen sich und bilden natürliche Formen.
Rudolf Frisius
Michel Chion
Sanctus (aus "Requiem") "Eine fundamentale Unsicherheit gegenüber dem Leben, dem Tod und dem Glauben" will Michel Chion mit seinem Requiem ausdrücken. Die Konsquenz daraus, daß der Komponist sich der trügerischen Sicherheit und der eindeutigen inhaltlichen Aussage verweigert. Ich wollte nicht ein Botschaft, eine pro- oder antireligiöses Manifest verkünde. Es geht vielmehr um ein persönliches Bekenntnis, und ich lade den Hörer dazu ein, sich selbst hineinzuprojezieren, wenn es ihm gefällt, diese Musik mit seiner Erfahrung und mit seiner Sensibilität zu erfüllen." Zu extremen Konsequenzen führt diese radikale Ambivalenz vor allem in "Sanctus", bei dem ungewiß bleibt, obe es sich vielleicht in Wahrheit nicht doch eher um ein "Anti-Sanctus" handelt. Disposition und Verarbeitung der Stimme und der elektroakustischen Geräusche stellen die scheinbar ungebrochene Gewißheit des Textes produktiv in Frage. Hier artikuliert sich neue Expressivität, ein neuer kompositorischer Tonfall zu Beginn der siebziger Jahre.
Alain Sarouret
Alain Sarouret
Etude, numerique, aux syllabes
(Digitale Studie über Silben)
(aus "Germinal")
1984/85
6'25''
Zu "Germinal" Das Projekt "Germinal wurde März/April 1984 konzipiert, nachdem Francois Bayle um ein neues Projekt für die internationale Computermisch-Konferenz gebeten hatte, die dann im Oktober desselben Jahres im IRCAM stattfand, und in der dieses Projekt dann letztlich doch keinen Platz gefunden hat.
Dieses Projekt definiert sich im Hinblick auf seine Klangmittel - auf die digitalen Klangmittel, die von INA/GRM entwickelt worden sind. In der Praxis handelte es sich um den Studio-Computer 123, der allen während der Realisation zugänglich war.
Zur Mitarbeit aufgerufen waren die Komponisten - und zwar diejenigen, die schon damals von diesem Studio für ihre Kompositionen so gründlichen Gebrauch gemacht hatten, daß sie hinreichend mit ihm vertraut waren.
Das Projekt ist definiert durch seine Regel, die sich an drei Grundbegriffen orientiert:
Der musikalische und spezifisch studiotechnische Kontext, in dem dieses Experiment stattfindet, erläutert die gegebene Regel.
Es ging darum, mit einer Keimzelle zu spielen, von der das Stück ausgeht und die das einzige Material darstellt, von dem alle Elemente abgeleitet werden sollen, aus denen sich das kurze Stück bildet.
Das ist keine leichte Übung, vor allem für jemanden, der als Komponist die Zeit bisher damit verbracht hat, genau das Gegenteil zu tun, nämlich die Mittel der elktroakustischen Klangverarbeitung mit dem Ziel zu verwenden, daß eine Kohabitation (vergessen wir die politische Bedeutung dieses Begriffes) von vielen disparaten, heterogenen Elementen unterschiedlicher Herkunft möglich wird.
Auflösung des Dilemmas:
Es geht darum, eine Keimzelle mit vielen verschiedenen Facetten zu finden, die dennoch unzweifelhaft kohärent sein muß:
Dies war ein Wort, ein Eigenname: "Don Quichotte."
Jede Silbe ist ein besondere, eigens zu entdeckende Welt, die man erst einmal darstellen muß;
Danach geht es um den Versuch zu integrieren, zu komponieren; Elemente zusammenzustellen, die vielleicht gar nicht zusammen-gestellt werden wollen.
Rudolf Frisius
Francois Bayle
Rosace 3
(Rosette 3)
aus "Vibrations composees"
1973
3'31'' Der Beginn des Satzes evoziert Assoziationen an den Anfang einer indischen Improvisation. Die Form entwickelt sich, indem zu einer ständig hörbaren Grundschicht in mittlerer Lage später hörbare Klangschichten dazutreten, die bis in extreme Höhen hineinreichen und das fein siselierte Klangbild zugleich sparsam und intensiv konturieren.
Dieser Satz, ein Teil des mehrsätzigen Zyklus "Vibrations composees" (der aus zwei Teilen besteht und 5 "Rosetten" sowie vier zwischen ihnen vermittelnde Zwischenstücke enthält), ist ein charakteristisches Beispiel neuer technischer ästhetischer Konzeptionen der elektroakustischen Musik in den siebziger Jahren, als durch Techniken der Spannungssteuerungen subtile und differenzierte Klang- und Formentwicklungen möglich wurden.
1. Die Einheitlichkeit und die Homogenität der Mittel im Vergleich eines Werkes mit einem anderen, der einzige Studio-Computer für die Ausarbeitung des Klangmaterials; das analoge Studio für die rein organisatorischen Operationen Montage, Mischung und Placierung.2. Ein generatives Prinzip. Das gesamte Klangmaterial des Stückes sollte, durch Entwicklung und Transformation, von einer einfachen Klangformel abgeleitet werden, die hier germ (Keim) genannt wird. Um die Ideen zu fixieren, haben die Beteiligten sich geeinigt, sie nach wahrnehmbaren Klangeigenschaften zu definieren, nämlich: kurz (weniger als 15 Sekunden), homogen, geschlossen und beschränkt auf einen einzigen Bewegungsvorgang. Die Vorstellung, daß die Morphologie der klanglichen Keimzelle auch für ihre musikalischen Merkmale von Bedeutung ist, führte zu dem Vorschlag (allerdings nicht zu der ausdrücklichen Forderung), die Keimzelle selbst sollte im fertigen Werk vorkommen.3.. Produktionsbedingungen. Kurze Stücke (etwa 5 Minuten); für jedes etwa eine Woche Arbeitszeit am Studio-Computer und eine Woche Zeit für die analoge Komposition. Für jeden waren die Wahl der Keimzelle, der speziellen Techniken des Studio-Computers sowie die Register frei.
In dieser Weise soll das Gesamtprojekt "Germinal" eine musikalische Probe der Mittel des digitalen Studios sein - ein Probe, die so abgenommen wird, daß sie sich enthüllt im Relief verschiedener Werke und einer gemeinsamen Achse, die sie letztlich bilden.
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