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1.4.1 Cuts and Dissolves


Rudolf Frisius

Wolfgang Rihm: Cuts and Dissolves - Orchesterskizzen 1976

Zuspielung: 2. Teil 3. Stück 8´53-9´13

Cuts and dissolves - Schnitte und Überblendungen: Diese beiden filmischen Techniken stehen offensichtlich im Gegensatz zueinander - der Schnitt als plötzliche Unterbrechung eines gefilmten Verlaufes, die Überblendung als allmähliche Überführung eines Handlungsablaufes in einen anderen. Wolfgang Rihm vereinigt beide Begriffe im Titel einer instrumentalen Komposition: "Cuts and Dissolves". Der Untertitel des Stückes heißt: "Orchesterskizzen 1976". Das Werk ist geschrieben für ein Kammerorchester mit insgesamt 29 Spielern: 9 Streicher, 8 Holzbläser und 7 Blechbläser; außerdem ein Tasteninstrument (Klavier oder elektrische Orgel) und Harfe sowie 3 Schlagzeuger. Das am 18. Januar 1977 vollendete Werk wurde geschrieben für das Ensemble Intercontemporain in Paris, wo auch die Uraufführung stattfand. 1980 war das Stück auch auf den Darmstädter Ferienkursen zu hören.

Filmische Techniken wie Schnitt und Überblendung eignen sich nicht ohne weiteres dafür, daß ein Komponist sie in einem Orchesterstück anwendet. Es liegt nahe, solche Verfahren der Verknüpfung technisch produzierter Bilder vorrangig in Musik mit technisch produzierten Klängen zu verwenden - so wie dies beispielsweise Pierre Henry 1984 in seinem Hörstück "La Ville - Die Stadt" getan hat, dessen Klangmontagen von den Bildmontagen eines klassischen Dokumentar-Stummfilms inspiriert sind: "Berlin - Sinfonie einer Großstadt" von Walter Ruttmann. Allerdings bleibt festzustellen, daß unter dem Thema "Musik und Film" solche Stücke eher eine seltene Ausnahme bilden.

Die technischen Möglichkeiten des Films haben im 20. Jahrhundert die Ästhetik der darstellenden Kunst und die Wahrnehmung radikal verändert. Allerdings ist auch deutlich geworden, daß die wichtigsten Veränderungen sich in verschiedenen Sinnesbereichen unterschiedlich ausgewirkt haben: Die wichtigsten Verfahren der Bildmontage haben sich schon in der Frühzeit des 20. Jahrhunderts durchgesetzt, während die technischen Voraussetzungen für die Klangmontage erst wesentlich später, um 1930 geschaffen werden konnten. So kam es dazu, daß seit der Frühzeit des Stummfilms sich die Sehwahrnehmung rascher modernisiert hat als die Hörwahrnehmung: Spätestens seit den zwanziger Jahren haben die Menschen gelernt, filmisch zu sehen, mit montierten Bildern umzugehen. Erfahrungen mit montierten Klängen aber ließen sich zur Zeit des Stummfilms noch nicht machen. Im Gegenteil: Das Publikum wurde daran gewöhnt, daß montierte Bilder nicht mit montierten Klängen begleitet wurden, sondern mit live gespielter Musik - z. B. mit den Darbietungen eines (Stummfilm-)Pianisten oder eines Orchesters. Diese Art der Musikbegleitung mußte im Vergleich mit den modernen Montagetechniken des Films eigentlich anachronistisch erscheinen. So kam es dazu, daß sich in der Filmmusik für lange Zeit ziemlich konventionelle Verfahren durchsetzten - z. B. spätromantische Orchestersmusik mit illustrativen Leitmotiven in der Blütezeit des Holywood-Tonfilms. Mit anderen Worten: Im 20. Jahrhundert ist viele Filmmusik entstanden, aber nur verhältnismäßig wenig Musik, die von modernen filmischen Techniken inspiriert ist, z. B. von Techniken des Schnittes und der Überblendung.

Wolfgang Rihms Kammerorchesterstück "Cuts and dissolves" ist keine Filmmusik - aber auch keine Komposition, die die filmischen Techniken des Schnittes und der Überblendung direkt auf Klänge überträgt. Wenn man verstehen will, warum Rihm im Titel seiner Komposition auf filmische Techniken anspielt, dann sollte man sich in Erinnerung rufen, daß er schon in jungen Jahren nicht davo zurückgeschreckt ist, sich als passionierter Kinogänger zu outen (was damals, in den siebziger Jahren, für Komponisten seiner Generation einigermaßen ungewöhnlich war). In einer autobiographischen Notiz aus dieser Zeit hat Rihm wissen lassen, daß er oft ins Kino gegangen ist - besonders zu der Zeit, als er bei Karlheinz Stockhausen studierte. - Aufschlußreich ist, daß Rihm von Kinobesuchen spricht, aber nicht von eigener praktischer Filmarbeit. Als produzierenden Künstler inspirierten ihn Film eher indirekt - als Impulse zum Notenschreiben, zum Erfinden autonomer instrumentaler Musik. Filmmusik im eigentlichen Sinne hat Rihm erst viel später, und auch dann nur in wenigen Ausnahmefällen geschrieben - z. B. 1985 die Komposition "Bild" für Kammerensemble als Musik zu dem Film "Le chien andalou" von Bunel und Dali. In der Orchesterkomposition "Cuts and dissolves" aber geht es um andere Ziele. Das läßt sich aus dem Untertitel entnehmen: "Orchesterskizzen 1976". Der Begriff "Orchesterskizzen" verweist darauf, daß Rihm hier Musik aus einzelnen Bruchstücken zusammensetzen wollte - aus einzelnen "Orchesterskizzen", die ähnlich strukturiert und disponiert sind wie Montage-Bruchstücke eines Films.

Das Stück gliedert sich in ein Vorspiel und vier Teile, von denen der zweite wiederum in fünf kurze Einzelstücke aufgeteilt ist. Diese Gliederung ist allerdings ambivalent. An manchen Stellen könnte man sie so interpretieren, daß die Musik gleichsam in verschiedene Bestandteile zerfällt. Es gibt Zäsuren, an denen die Musik fast gewaltsam angehalten wird, dann aussetzt und einige Zeit später dann doch wieder dort anknüpft, wo sie zuvor stehen geblieben war. So entstehen Abbrüche und Pausen, die in eine organische Formentwicklung markant hineingeschnitten sind und die letztlich den Sog des Klangstromes doch nicht aufhalten.

Zuspielung: Übergang II1 - II2 (vor 8´09 - nach 8´13)

Es gibt längere Pausen zwischen verschiedenen Teilen, in denen die Musik nicht einfach unterbrochen, sondern gleichsam in Erstarrung gestoppt werden soll. Wolfgang Rihm hat dies in einer Partitur-Anweisung deutlich gemacht. Er schreibt dort: "Während einer slchen Pause zwischen den Teilen behält der Dirigent Stab oder Hand oben".

Zuspielung (evtl.): Übergang 1. - 2. Teil (vor und nach 6´52)

Die Dauer der Pausen zwischen verschiedenen Formteilen und gegebenenfalls den Teilstücken innerhalb eines Formteiles hat Rihm in Sekunden angegeben. Sie markieren Schnittstellen, in denen - anders als im Film - Musikfragmente nicht aneinandergeklebt, sondern vielmehr auseinandergerissen werden. Die explosive Kraft des Auseinandersprengens zeigt sich dabei oft gerade daran, daß die Musik nach den Schnittstellen fast unverändert weitergeht - nicht im Kontrast, wie man ihn aus Schnittstellen im Film kennt.

Zuspielung (evtl.): Übergang z. B. II2 - II3 vor und nach 8´53 (Schlußakzent - Anfangsakzent Moll hohe Lage)

Filmische cuts zielen auf Klebestellen - auf die Stiftung von Zusammenhängen zwischen ursprünglich disparaten Materialien. Cuts in der Orchestermusik von Rihm haben die genau entgegengesetzte Funktion: Sie sind Bruchstellen. Sie zerreißen scheinbar kohärente Formentwicklungen, und sie stellen Disparates unverbunden nebeneinander. Diese Faktur zeigt sich auch im Aufbau der verschiedenen Formteile - sogar der extrem kurzen Einzelstücke, in die der zweite Teil gegliedert ist. Hier ergeben sich Schnitte und überraschende Kontraste selbst dann, wenn bestimmte Klangmaterialien in mehrfacher Wiederholung vorkommen, In solchen Fällen wird das, was durch häufige Wiederkehr die Form eigentlich zusammenhalten sollte, oft zum stärksten Mittel, die Form zu sprengen - zum Beispiel ein Akkord im ersten Stück des zweiten Teiles: Er erscheint gleich zu Beginn des Stückes und kehrt im Folgenden wieder in stets wechselnden Instrumentengruppen und dynamischen Verläufen; er tritt also vor allem als Impuls für immer neue plötzliche Veränderungen in Erscheinung, weniger als Element des harmmonischen Zusammenhanges.

Zuspielung: II1 6´52 - 8´13

Auch das vierte Stück des zweiten Teiles ist geprägt von Prinzipien des Schnittes, nach denen ursprünglich Zusammenhängendes zerschnitten wird und Varianten von bereits Gehörtem sich präsentieren als Impulse des Neuen: Das ganze Stück artikuliert sich in der Abfolge kurzer Fragmente. Dabei treten von Fall zu Fall wechselnde Einzelinstrumente mit Tonrepetitionen hervor - begleitet von akkordischen Akzenten, deren Instrumentierung sich ebenfalls von Mal zu Mal verändert.

Zuspielung: II4 9´18 - 10´04

Typisch für Wolfgang Rihms Musik, besonders für seine Werke as den siebziger Jahren, sind Formentwicklkungen im Spannungsfeld zwischen fließender und geschnittener Zeit, zwischen den Tendenzen von Klangstrom (oder Klangsog) und Bruch. An zentraler Stelle des ersten Teiles der "Cuts and dissolves" zeigt sich, wie beide Verlaufsformen zusammenwirken können: Zunächst hört man dort einzelne Brocken dumpfer, stockender Blechbläser-Akkorde. Dann folgt, wie der jähe Einbruch gleißenden Lichtes, ein Schnitt mit jähem Wechsel: Ein Tutti-Akzent, von dessen Spitzenton eine gezackte Melodielinie abstürzt, in nervöser rhythmischer Unregelmäßigkeit und in großen Intervallen. Dem Umsturz folgt hier der Zusammenbruch.

Zuspielung: I 4´44 - nach 5´18 (Höhepunkt). Blechbläser-Akkordbrocken - Umsturz - Zusammenbruch

Wolfgang Rihm komponiert eine Musik der sich auf- und abbauenden Spannungen und Entladungen, aber auch der jähen Umschwünge und Kontraste. Steigerungen und Rückentwicklungen, Akzente und jähe Wechsel lassen sich in seiner Musik allenthalben entdecken. Schwieriger fällt die Entdeckung von Formentwicklungen, auf die das letzte Titelwort seines Orchesterstückes verweist: von dissolves - von Bildübergängen, Verwandlungen, Überblendungen. Auch die dissolves verwendet Rihm auf seine eigene Weise - d. h. in den meisten Fällen abweichend von den Konventionen der Filmpraxis. In seinen Überblendungen geht es ihm meistens nicht darum, Verschiedenartiges miteinander zu verschmelzen. Im Gegenteil: Oft überlagert er einzelne Töne und kurze melodische Figuren in verschiedenen Instrumenten so, daß sie rhythmisch gegeneinander verschoben sind - daß Töne oder Tongruppen gleichsam mit sich selbst überlagert werden, wie künstlich multilihzierte oder zeitverschob ene Bilder oder Filmausschnitte. Besonders deutlich wird dies dann, wenn viele Instrumente sich auf einem einzigen Ton treffen, der im Innern auf vielfältige Weise rhythmisch belebt wird - z. B. im abschließenden vierten Teil, wo die melodische Bewegung sich zu einem Ton verdichtet, von dem dann später wieder eine neue Melodielinie ausgeht.

Zuspielung: IV Verdichtung zum Ton g - vervielfältigte Melodie von g aus 18´35 - 19´06

Überblendungen stehen vor allem an Anfang und Ende der Komposition im Vordergrund. Im einleitenden "Vorspiel" steht dabei die Ton-Überblendung im Vordergrund: Viele Instrumente treffen sich auf demselben Ton - in vielschichtiger Rhythmisierung, in reich gemischten Färbungen und dynamischen Profilen, aus denen wenig später dann auch Keime melodischer und harmonischer Bewegung entstehen.

Zuspielung: IV 1´09 (Einsatz c´- e´) - ausblenden ab 1´46 (Einsatz Röhrenglocken g - fis - e)

Während zu Beginn des Stückes, im Vorspiel, in Überblendungen Töne zu Melodien und Klangflächen werden, stehen die Überblendungen am Schluß des Stückes im Zeichen der Verwandlung von Tönen und Tonstrukturen in Geräusche. In den letzten Takten gtreten die Partien der drei Schlagzeuger in den Vordergrund: Zunächst mit anschwellenden Trommelrhythmen über einem dichten Streicher-Akkord - später mit scharf gemeißelten rhythmischen Figuren in woodblocks und Peitsche, auf die schließlich auch die anderen Instrumente mit scharfen Akzenten reagieren. So schließt das Stück in mehrfacher Überblendung: Zunächst von den Tönen der Streicher zu den Geräuschen der Schlaginstrumente - später von den Schlagzeug-Geräuschen zu den (jetzt meistens geräuschhaft verfremdeten) Tönen und Akkorden der anderen Instrumente. So entsteht Musik der mehrfachen dramatischen Umschläge - eine weitere Erinnerung an filmische Prozesse.

Zuspielung: IV Schluß ab Flageolett-Akkord (nach 19´39 Piccoloflöte f´) bis 20´19

"Cuts and dissolves" ist eine Musik, in der sich immer wieder neue Ansätze organischer Formentwicklung bilden - aber auch eine Musik der abrupten Brüche, der radikalen Dissoziationen und der exzessiven Verwandlungen. In einer in weitem Bogen ausgreifenden, aber im Detail immer wieder zerklüfteten und ausbrechenden Formentwicklung bildet sich eine Musik der produktiven Paradoxien: Die Monumentalität des Fragmentarischen - eine kaum überschaubare Vielfalt des Disparaten und doch mannigfaltig miteinander Vernetzten.

Schon in den ersten Takten des Vorspiels sind Formtendenzen angedeutet, die später, in größerer Bandbreite, dann auch den Formverlauf des gesamten Stückes prägen.

Zuspielung: T. 1 - 11 (9): es´-des´ bis h-a es´-des´ (oder d´-f´es´-des´)

Die Musik beginnt sehr langsam und schattenhaft leise, fast unhörbar, mit den Streichern. "Semplice, misterioso", soll nach Anweisung der Partitur gespielt werden, und auch die spieltechnischen Anweisungen an die Streicher hzielen auf eine zarte, behutsame, farblich subtile Ausführung: "con sordino, non vibrato, tenuto, sul tasto". Die Instrumente spielen durchweg einstimmig, aber in wechselnden Konstellationen der Töne und ihrer Bewegungsrichtungen, der Tondauern und der Instrumentengruppen.

Zuspielung: T. 1-11 wie vorige Zusp. 1´09 oder nur 1-7 es-des; es-ges-g-cis; es- ges oder g-h-c

Das "Vorspiel" präsentiert sich wie die Vorspann-Musik eines Filmes, die ihr eigenes Gepräge hat, die sich unverkennbar unterscheidet von der folgenden, die eigentliche Filmhandlung begleitenden Musik. So läßt sich auch erklären, daß die Musik behutsam ihre eigenen Impulse setzt - unbehelligt von heftigen Akzenten, Eruptionen, äußeren Störungen. Dennoch sind leise Spannungen zu spüren. Sie artikulieren sich zurückhaltend, aber gerade dadurch besonders intensiv: Sich vortastend zu melodisch fließenden Tonbewegungen - dazwischen immer wieder zögernd, stockend, innehaltend, anschließend wieder neu ansetzend.

Die Entwicklung beginnt im engsten Raum: Man hört - in ruhiger, rhythmisch regelmäßiger Abfolge - zwei Töne in mittlerer Lage, absteigend um eine große Sekunde. Es spielen drei Violinen.

Zuspielung: T. 1 es-des

Schon nach den ersten beiden Tönen verwirrt sich das Bild: Die Bewegung kommt ins Stocken. Anschließend setzt sie wieder auf dem Ton ein, mit dem sie zuvorf begonnen hatte. Von diesem Ton geht jetzt eine neue Melodiebewegung aus - melodisch stärker bewegt und tonreicher als zuvor; nicht mehr ruhig absteigend wie zuvor, sondern im Wechsel der Bewegungsrichtung und der Abfolge-Geschwindigkeit: Zunächst mit zwei aufsteigenden Tönen, etwas rascher als zuvorf; dann mit zwei absteigenden Tönen, die länger dauern und ein etwas größeres Intervall überbrücken. Die beiden aufsteigenden Töne erklingen in beiden Bratschen, die beiden absteigenden in wechselnder Instrumentation: Der höhere mit 2 Violinen und Bratsche, der tiefere mit 2 Celli. Man hört Aufstieg und Abstieg - Belebung und anschließende Beruhigung in behutsam wechselnden Konstellationen.

Zuspielung: es-ges g-cis

Die melodische Bewegung kommt nach 4 Tönen erneut ins Stocken. Anschließend setzt sie neu an: Rhythmisch etwas lebendiger als zuvor; mit neuen Tönen sich ausweitend im Tonraum; danach wieder sich zusammenziehend; zurückkehrend zu den beiden Tönen, mit denen die Melodie ursprünglich begonnen hatte.

Zuspielung: T. 4-9

Immer wieder unterbrechen Pausen die melodische Bewegung - wie Schnitte in einem Film. Auffällig ist allerdings, daß hier die Schnitte den Verlauf in anderer Weise artikulieren als in einem Film, bei dem kontrastierende Bilder zusammengeschnitten sind. Rihm verwendet hier eine Schnitt-Technik, die nicht Kontrastierendes zusammenfügt, sondern das ursprünglich Zusammenhängende aufschneidet, auftrennt. Dies ist das Verfahren eines Komponisten, der - wie Rihm selbst es einmal formuliert hat - sich ins eigene Fleisch schneidet; die Identität des Komponisten artikuliert sich in dieser Musik nicht in bruchlos organischer Entwicklung, sondern im ständigen Konflikt zwischen fließender und stockender Bewegung, zwischen Entfaltung und Reduktion, zwischen Strömen und Stgauung, zwischen allmählichen Verwandlungsprozessen und jähen Umschlägen. All dies ist im Vorspiel des Stückes erst in winzigen Nuancen spürbar. Erst später entfaltet es sich in offen ausgetragenen dramatischen Konflikten.

Das Stück beginnt im ruhigen Wechsel der Töne und Instrumentengruppen: Gegliedert; sich artikulierend in cuts, in Schnitten. Schon nach wenigen Tönen kommt auch das zweite Titelwort ins Spiel: Man hört dissolves, Überblendungen - d. h. Übergänge zu neuen Instrumenten und Instrumentengruppen; beginnend zunächst auf neu einsetzenden Tönen oder Phrasen, bald auch im Inneren eines Tones. - Im zweiten Teil des Vorspiels treten die dissolve, die Überblendungen, noch deutlicher hervor. Dies zeigt sich auch daran, daß neue instrumentale Klangfarben hinzugemischt werden: Zu den den 9 Streichern treten zunächst 2 Flöten hinzu, die in tiefer Lage unisono spielen, später 2 Röhrenglocken. Erste Akzente werden hörbar. Der Streicherklang verfärbt sich im Tremolo und verbindet sich schließlich mit einem leise ausgehaltenen Blechbläserakkord - mit der ersten Ankündigung eines volleren Orchestersatzes in den folgenden Teilen des Stückes.

Die vollständige Komposition ist ein Panorama der Vielfalt verschiedener Verlaufstypen, Klangfigurationen und dramatischer Verläufe: Eine zugleich spontane und hochdifferenzierte Ausdrucksmusik, dramatisch und abwechslungsreich wie ein komplexer, spannungsreicher Film - mit einer Intensität, die vom extrem Leisen bis zu heftig explosiven Ausbrüchen führen kann: Wie Musik zu einem unsichtbaren Film, der sich herausbildet in der Phantasie des Hörers.

Zuspielung: Cuts and dissolves vollständig 20´19
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