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Sabine Schäfer:
STUDIES FOR COMPUTER CONTROLLED PIANO (1991)
Ein wichtiger Aspekt der technisch geprägten Klangkunst von Sabine Schäfer ist seit 1990 die Auseinandersetzung mit Selbstspielklavieren. Zunächst testete sie in Wien bei der Firma Bösendorfer einen Konzertflügel mit einer eingebauten Elektronik, die die Mechanik des Instrumentes steuert: einen Computerflügel. Für die genauere Ausarbeitung erwies es sich als notwendig, die Zusammenhänge zwischen eingegebenen Daten (etwa für Lautsrärke und Dauer) und musikalischen Resultaten genauer experimentell zu untersuchen. Zusammen mit dem niederländischen Musikwissenschaftler Alcedo Coenen führte Sabine Schäfer 1991 vergleichende Untersuchungen an Selbstbauklavieren verschiedener Firmen durch - z. B. Ermittlungen der jeweils maximalen Geschwindigkeiten (von Läufen oder Tonrepetitionen) oder Akkorddichten, von Möglichkeiten der Realisierung extrem kurzer und extrem langer Töne. Im Vergleichzeigten sich besondere Möglichkeiten des Computerflügels, z. B. beim extrem leisen und schnellen Abspielen von Skalen. Auch die Möglichkeiten der raschen Repetition wurden getestet - und zwar nicht nur im Vergleich verschiedener Instrumente, sondern auch in der Abhängigkeit von Tonhöhe und Tondauer (wobei höhere, lautere und längere Töne bessere Repetitionsmöglichkeiten boten). Besonders sinnfällige, dem konventionellen live-Klavierspiel deutlich überlegene Möglichkeiten des Computerflügels ergeben sich beim gleichzeitigen Anschlag vieler Tasten, also in sehr dichten Akkorden; so können beispielsweise auf dem Computerflügel bis zu 32 Tasten gleichzeitig angeschlagen werden, was - zumal in Kombination mit live gespielten Akkorden - in extrem kompakten harmonischen Massierungen ausgenutzt werden kann.
Aus den technischen Möglichkeiten des Computerflügels ergeben sich neue Möglichkeiten der kompositorischen Gestaltung, z. B.:
- Ausführbarkeit von Passagen in extrem hoher Geschwindigkeit und mit vielen Tönen, gleichzeit auch in extrem großen Intervallabständen (also unabhängig von manuellen Möglichkeiten);
- große Differenzierungen in den Bereichen Metrum und Tempo;
- hohe dynamische Präzision (z. B. bei der Überlagerung oder Abfolge extrem unterschiedlicher Lautstärken);
- polyphone Komplexität, auch mit schichtweise verschiedenen Bestimmungen der Tempi, der eynamischen Werte, der Lagen und Dichten.
Charakteristisch für Sabine Schäfers Arbeit mit dem Computerflügel ist einerseits die Suche nach vollkommen neuen, im live-Klavierspiel nicht darstellbaren Klangmöglichkeiten, andererseits der Versuch, Klangstrukturen auf dem Computerflügel mit anderen Klangmaterialen zu verbinden - z. B. mit live-Klavierspiel oder mit elektronischen Klängen. In ihren Studies for computer controlled piano steht die erste Möglichkeit im Vordergrund. Das Werk gliedert sich in 3 Teilstücke:
- Glissando cascades
Hier dominieren komplexe Glissando-Kaskaden; von live-Passagen unterscheiden sie sich durch ihre genau kontrollierte Dynamik (vor allem im leisen Bereich) und ihre dichten Schichtungen. Diese erste Studie des Zyklus beginnt mit raschen Läufen im Wechsel zwischen zwei verschiedenen Lagen. Später kommen deutlich artikuliete tiefere Lagen und plastische Lautstärkekontraste hinzu. Es entwickelt sich eine facettenreiche, komplexe Musik, die über die Möglichkeiten einer virtuosen live-Interpretation weit hinausführt.
- Chords and Repetitions
Hier bewegen sich in Repetitionen verschiedene überlagerte Töne teils synchron, in Akkordrepetitionen, teils asynchron (d. h. es kommt zu einer Überlagerung unterschiedlich schneller Repetitionen). Diese Studie ist eine vielschichtige Musik der repetierten Töne in wechselnden Akkorden, wobei sich an zentraler Stelle des Stückes pulsierende Repetitionen in drei verschiedenen Geschwindigkeiten überlagern. In vielfältigen Wechseln von Lagen, Tempi und Pedalisierungen entfaltet sich diese facettenreiche Musik der Akkord-Figurationen.
- Hommage à Steve Reich
Dieses Werk charakterisiert Sabine Schäfer als ein minimalistisches Abschlußstück, in dem nach ihren Worten Akzentverflechtungen immer neue Vorder- und Hintergrundsklangflächen bilden, bis am Schluß des Stückes die akkordische Synchronität zerbricht und übergeht in individuell ritardierende Töne. Dieses Schlußstück des Zyklus ist eine origiennel, in den Details differenziert ausgearbeitete minimal music mit wechselnden Akkorden und Akkordrhythmen.
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