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4.2.1 DAFRIIMP.DOC


Rudolf Frisius

KOMPOSITION UND IMPROVISATION:

NEUE ANSÄTZE DER MUSIK-ERFINDUNG

IN DER MUSIKENTWICKLUNG DES 20. JAHRHUNDERTS

Spontaneistisches Komponieren: Komposition als Improvisation?

Musik-Erfindung jenseits vorgegebener Konstruktionen:

Von der freien Atonalität (Arnold Schönberg und Charles Ives)

bis zur neuen Expressivität (Wolfgang Rihm)

Unbestimmtes Komponieren: Interpretation als Improvisation?

Musik-Erfindung jenseits der voraushörenden künstlerischen Intention:

Vom Geräuschorchester zur experimentellen Live-Realisation (John Cage und seine Schule)

Elektroakustische Musik früher und heute:

Klangliche Realisation als Integration von Komposition und Improvisation

Kompositorische und improvisatorische Aspekte in verschiedenen Epochen der Lautsprechermusik:

Pierre Schaeffer und Pierre Henry -

Karlheinz Stockhausen -

Guy Reibel, Michel Chion, Jean Claude Risset -

Alistair Macdonald, Paul Dolden, Sabine Schäfer

Invention musicale:

Musikalische Erfindung als gemeinsame Wurzel von Komposition und Improvisation

Konzeptionen integrativer Musikerfindung

bei Marcel Dupré und Olivier Messiaen,

bei Mathias Spahlinger und Guy Reibel

Die Musikentwicklung des 20. Jahrhunderts läßt sich beschreiben unter dem Aspekt grundsätzlicher Veränderungen in den Prozessen der Erfindung und klanglichen Realisation von Musik: Die Infragestellung überlieferter, an der Durmoll-Tonalität orientierter Ordnungsbeziehungen stellte die Gültigkeit musiksprachlicher Konventionen in Frage, die im Idealfalle sowohl nicht nur für Erfindung und klangliche Gestaltung, sondern auch für das Hören für Musik gelten sollten - und die insbesondere nicht nur die freie improvisatorische Erfindung, sondern auch die kompositorische Ausarbeitung zu regulieren versuchten. Die Tonalität war in Frage gestellt als eine Musiksprache, die man nicht nur (in der Improvisation) frei sprechen, sondern auch (in der Komposition) als ausgearbeiteten Text schriftlich fixieren kann. So kam es dazu, daß Komposition und Improvisation sich häufig divergierend entwickelten - sei es deswegen, weil in neuen Kompositionstechniken (z. B. Dodekaphonie und Serialität) Spielräume der freien interpretatorischen (oder sogar improvisatorischen) Gestaltung unter verstärkter kompositorischer Kontrolle reduziert wurden; sei es deswegen, weil bestimmte neuartige Material- und Formkonstellationen sich der herkömmlichen, schriftlich fixierenden kompositorischen Kontrolle entzogen und sich statt dessen eher für die Erschließung in neuartigen improvisatorischen Praktiken anboten. Dies zeigt sich besonders deutlich in Musik, in der nicht nur die Emanzipation der Dissonanz sich vollzieht, sondern auch die Emanzipation des Geräusches: Während die vor allem von Schönberg, Berg und Webern ausgehende Entwicklung neuartiger Tonstrukturen hauptsächlich den Bereich der Komposition tangierte, ging von Cage (dem unabhängig gewordenen Schönberg-Schüler) eine Musikentwicklung aus, die nicht nur die Kompositionstechnik grundlegend veränderte, sondern auch das Verhältnis zwischen Komposition und Interpretation und die Aufhebung ihrer Trennung in der Realisation klanglich unbestimmter Musik (einer Musik, die herkömmliche Begriffe nicht nur der Komposition, sondern auch der Interpretation und vor allem der Improvisation radikal in Frage stellt). - Noch weiter reichende Veränderungen im Verhältnis zwischen Komposition und Improvisation ergaben sich unter dem Einfluß der technischen Reproduzierbarkeit und Produzierbarkeit: Der Unterschied zwischen unwiederholbarer Improvisation und (im Idealfall) wiederholt unverändert aufführbarer Komposition war in Frage gestellt in technisch gespeicherten, beliebig oft unverändert reproduzierbaren Improvisationen einerseits und sich der Partiturfixierung entziehenden, oft aus improvisatorischen Verfahren hervorgegangenen experimentellen Produktionen elektroakustischer Musik andererseits. Die Frage nach der Begriffsbestimmung der Improvisation und nach der Möglichkeit ihrer Abgrenzung von Komposition und Interpretation stellt sich in dieser Situation neu: Tradierte Rollenabgrenzungen werden in vielfältiger Weise in Frage gestellt - nicht nur in klanglichen Ergebnissen der Komposition, Interpretation oder Improvisation, sondern auch in den ihnen entsprechenden Kommunikationsprozessen des Erfindens und Gestaltens, des Hörens und Interpretierens von Musik.

In vier Seminaren werden unter verschiedenen Aspekten der Musiktheorie und Klanglehre, in Verbindung mit zahlreichen Spielanweisungen, Notationen und Klangbeispielen unterschiedliche Aspekte des vielfältigen Veränderungen unterworfenen Verhältnisses zwischen Komposition und Improvisation (und der Beziehung beider Bereiche zur Interpretation) untersucht:

- Das Verhältnis zwischen Komposition, Interpretation und Improvisation (Annäherungen und Entfernungen zwischen verschiedenen Bereichen der Musikpraxis - Auf der Suche nach neuen musiksprachlichen Grundlagen der Komposition und der Improvisation - Zur Bedeutung improvisatorischer Elemente in der Kompositionsgeschichte des 20. Jahrhunderts von Messiaen bis Rihm, von Ives bis Cage, vom Futurismus zur live-Elektronik)

- Wandlungen der Interpretation (in ihrem Verhältnis zu Komposition und Improvisation)

und der Kompositionstechnik (mit ihren Konsequenzen für Interpretation und Improvisation):

Interpretation als Füllung vom Komponisten belassener Freiräume -

Interpretation als Konkretisierung unbestimmter Komposition;

Komposition: Gefrorene Improvisation oder Anti-Improvisation?

Möglichkeiten und Grenzen der Notation: Eindeutiges - Vieldeutiges, Bestimmtes - Unbestimmtes

- Improvisation - experimentelle Klangrealisation: live-Realisation, Studio-Produktion
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